Ruderfahrt Oder 1998 (Astoria-Bericht)

21. bis 24. Mai 1998

Bericht von Martin Nauendorff, Astoria (entnommen aus: Astoria-Spiegel 02/98)

(siehe auch Fahrtenbericht von Nicolas Michael)

Alles Oder - oder was?

Nachdem wir am Himmelfahrtswochenende des letzten Jahres unter der Leitung von Gerhard Wünsch Elbe und Elde-Müritz-Wasserstraße erkundet hatten, richtete sich der Blick des altgedienten Fahrtenleiters dieses Mal gen Osten. Vom 21. bis 24. Mai 1998 sollte auf der Oder eine Strecke von 170 km durch reines Rudern bewältigt werden.

Auf Einberufungsbefehle konnte verzichtet werden, da sich Teilnehmer in ausreichender Zahl freiwillig gemeldet hatten. Vom Marinestützpunkt "Astoria" waren dies - neben meiner Wenigkeit - Karl-Heinz Porath, Friedel Bormann, Werner Steck, Jürgen Brömel, Brigitte Michael und natürlich Gerhard Wünsch. Vorangegangene Lagebesprechungen mit Kameraden und Kameradinnen des Märkischen Rudervereins, die des öfteren bei "Astoria" anlanden und von Gerhard auf die bevorstehende Odermission angesprochen worden waren, führten zu einer wesentlichen Aufstockung der Flotte - und zwar durch Edeltraut und Werner Überlein sowie Bärbel und Kurt Linke. Aus der Oberpfalz konnte Helmut Knobel, ein Berliner Ruderer aus früheren Tagen, verpflichtet werden. Den letzten Schliff erhielt unsere Armada durch eine im wahrsten Sinne des Wortes "schlagkräftige" Abordnung des Ev. Gymnasiums zum Grauen Kloster, das dem Schülerruderverband angeschlossen ist. Obmann der Truppe war Nicolas Michael (Sohn von Brigitte Michael), seine Mitstreiter hießen Jakob, Moritz, Darius und Daniel.

Bereits am Mittwoch vor Himmelfahrt brachte uns die Bahn AG nach Eisenhüttenstadt an der Oder, der Ausgangspunkt unserer durchweg friedlichen Mission. Dort lagen bereits seit einer Woche auf dem Gelände des RV Fürstenberg unsere vereinseigenen Schlachtschiffe "Berlin" und "Jung-Astoria" sowie das Schnellboot "Keraunos" des Schülerruderverbandes. Der Name des Bootes war Programm: "Keraunos" ist altgriechisch und bedeutet "Blitz", und dementsprechend ruderten auch die jungen Kadetten aus dem Grauen Kloster.

Am Himmelfahrtsmorgen starteten wir dann zur ersten und längsten Etappe unserer viertägigen Tour. Nach 5 km Oder-Spree-Kanal und Passieren einer Schachtschleuse mit 14 m Höhenunterschied erreichten wir die Oder und damit die deutsch-polnische Grenze. Bereits kurz hinter der Schleuse war uns mit einem kurzen, kräftigen Regenguß deutlich aufgezeigt worden, wo es die nächsten vier Tage wettermäßig lang gehen sollte.

Da wir ein Grenzgewässer unter Kiel genommen hatten, wehte neben der Astoriaflagge auch der für diesen Fall vorgeschriebene schwarz-rot-goldene Nationalwimpel am Heck unserer Boote.

Mit Ausnahme der "Keraunos"-Besatzung war die Einteilung der Galeerenplätze und Landdienste vom Flottenchef schon im voraus mit dem Ziel festgelegt worden, daß es jeden Tag eine neue Zusammensetzung gab. Nach einer Mittagsrast in Frankfurt/Oder konnten wir schließlich nach insgesamt 68 km in Bleyen anlanden, unserem ersten Etappenziel gegenüber der polnischen Stadt Küstrin gelegen. Während die mittleren und reiferen Jahrgänge der Truppe in einem Gasthof unterkamen, zogen die jugendlichen Mariniers, wie auch an den weiteren Tagen, die preisgünstigere Variante des Zeltens vor. Die feuchte Witterung wirkte sich in diesem Zusammenhang natürlich nicht gerade förderlich aus.

Am nächsten Tag standen 48 km bis Hohensaaten auf dem Programm. Kurz nach dem Ablegen in Bleyen goß es aus allen Kübeln. Ein zusätzlicher starker Gegenwind führte zu schweren Wellen, die das Rudern nicht gerade stilvoller machten. Der Steuermann war am ärmsten dran, da dessen Gesicht vom Regen und zeitweise auch Hagel ordentlich gegerbt wurde. Zwischendurch wurde es aber auch immer wieder hell und sogar die Sonne sorgte für etwas Gesichtsfarbe.

Nach dem Anlegen in Hohensaaten war die Moral der Truppe immer noch gut, auch wenn noch ein längerer Fußmarsch zum Gasthof bzw. Ferienzimmer anstand.

Am dritten Tag unserer Mission verließen wir die Oder und gelangten nach dem Passieren von zwei Schleusen auf die Hohensaaten-Friedrichshaler-Wasserstraße. Dieses wesentlich schmalere Gewässer läuft parallel zur Oder und führte uns zu manchen landschaftlich reizvollen Stellen. Es war auch der einzige Tag, an dem es von oben trocken blieb. Die mittägliche Gulaschkanone wurde dieses Mal in Stolpe aufgestellt, einem attraktiven Ausflugsort insbesondere für Drahteselführer. Lange Wartezeiten, ein Speisenangebot, das größtenteils nur auf dem Papier existierte und Additionsprobleme beim Bezahlen hinterließen jedoch keine gute Erinnerung an die besuchte Lokalität.

Nach 30 Tageskilometern erreichten wir unseren Zielort Schwedt, wo wir das erste Mal wieder bequem bei einem Ruderverein anlegen konnten. Nach zwei Tagen solider deutscher Küche wagten wir uns hier auf das griechische Eß- und Trinkparkett.

Die letzte Tagesetappe am Sonntag war mit 24 km die kürzeste. Nach 12 km auf der Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße gelangten wir automatisch auf die West-Oder, der wir bis zum Örtchen Mescherin, dem Endziel unserer Mission, folgten.

Für mich persönlich hatte dieseEtappe besondere Bedeutung, da ich in ihrem Verlauf meine ersten 1000 Kilometer seit meiner Stationierung im Marinestützpunkt "Astoria" im Herbst 1996 vollendet habe. Aber auch meine Mitstreiter werden beim letzten gemeinsamen Umtrunk im Lokal direkt neben der Anlegestelle zufrieden auf die erfolgreich und friedlich verlaufene Odermission zurückgeblickt haben.

Besonderen Dank möchte ich zum Schluß Flottenchef Gerhard Wünsch aussprechen, der nach umfangreicher Vorbereitung des Unternehmens und taktisch kluger Durchführung unsere Galeeren sicher ans Ziel gebracht hat.



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