Ruderfahrt Berlin - Hamburg 2004

31. Juli bis 06. August 2004

Bericht von Nicolas Michael

Kurzbeschreibung: Einwöchige Ruderfahrt von Berlin auf der Havel nach Havelberg und weiter auf der Elbe bis nach Hamburg. Gesamtstrecke: 355 Km.

Da ich zur Zeit an meiner Diplomarbeit schreibe und sich die Guten für die nächsten Monate über ganz Europa verstreuen, habe ich in diesem Jahr keine größere Ruderfahrt organisiert. Der Berliner Ruder-Club hat jedoch eine Ruderfahrt von Berlin nach Hamburg veranstaltet, an der ursprünglich mehrere der Guten teilnehmen wollten. Letztlich klappte es aber aufgrund anderer Termine nur bei mir.


Originalbericht von Nicolas Michael
(www.berliner-ruder-club.de/sport/wanderrudern/2004-berlin-hamburg)

Da ich in diesem Sommer nicht selbst eine Ruderfahrt organisiert habe, kam es mir gerade recht, daß Holger Derlien eine solche plante: Er wollte in sechs Tagen von Berlin nach Hamburg rudern. Natürlich war ich von der Idee sofort begeistert und sagte zu. Als weitere Teilnehmer fanden sich Alexander Quandt, André Kasimir, Bernhard Bobusch, Fabian Nickel, Lennart Schmidt, Lutz Schallop und Udo Schallop. Zu neunt wollten wir die 355 Km auf Elbe und Havel in den beiden C-Gig-Doppelvierern BRC Jung-Club und Wolfgang Munk zurücklegen.

Bernhard, Lennart und Udo auf der Havel Um 9:00 Uhr fanden wir uns am Samstag morgen im Club ein. Da wir ohne Landdienst fahren wollten, mußte das gesamte Gepäck in den beiden Booten untergebracht werden. Die Jung-Club wollten wir zu dritt rudern, so daß der Platz des Bugmanns als Stauraum für Gepäck zusätzlich zur Verfügung stand. Nachdem sämtliche Seesäcke, Zelte, Isomatten, Kocher, Wasserflaschen und sonstige Verpflegung in den Booten verstaut waren, legten wir um halb zwölf ab. Auf dem Großen Wannsee stand die erste Bewährungsprobe der vollbepackten Boote an. Die Jung-Club, deren Bug durch das Gepäck ziemlich tief lag, übernahm bei einer Welle dabei so viel Wasser, daß wir gegenüber der Pfaueninsel gleich wieder anlegen mußten, um Wasser zu schöpfen und einiges Gepäck in die Munk umzulagern. Danach ging es problemlos weiter: Bei Wellen legten wir uns parallel, so daß wir auf dem Rest der Strecke kaum mehr Wasser ins Boot bekamen. Über den Jungfernsee erreichten wir den Sacrow-Paretzer-Kanal, der uns auf kürzestem, aber etwas eintönigem Weg nach Ketzin führte. Am Ende des Kanals legten wir an einem Strand an, um Mittagspause zu machen. Nach der drückenden Hitze der vergangenen Stunden war eine Pause im Schatten dringend nötig. Hinter Ketzin verbreitert sich die Havel wieder seenartig und wird landschaftlich interessanter. Allerdings mußten wir während des Ruderns gegen die Bremsen kämpfen, die an unser Blut wollten. Nach einem anstrengenden ersten Rudertag erreichten wir nach 52 Kilometern und einmal schleusen abends unser Etappenziel, den Ruderclub in Brandenburg. Hier standen uns zwei Bungalows mit Betten zur Verfügung. Nach dem Anlegen wurden unsere Kocher in Betrieb gesetzt, um Nudeln mit einer selbstgemachten Tomaten-Paprika-Sauce zuzubereiten. Insbesondere der neu erworbene Benzinkocher leistete hierbei gute Dienste. Nach dem Essen und Duschen machten einige von uns noch einen kleinen Spaziergang durch die Stadt, bevor wir müde ins Bett fielen.

Lutz, Lennart, Fabian und Alexander auf der Havel Am nächsten morgen war, wie auch auf dem Rest der Fahrt, wieder strahlend blauer Himmel. Nach dem Frühstück mit frischen Brötchen ging es um kurz nach elf wieder auf's Wasser. Durch den leichten Wind wirkte es heute nicht ganz so heiß wie am Vortag, und da wir alle etwas eingespielter waren, wurde auch die Etappe weniger anstrengend. Über die Havel erreichten wir hinter Brandenburg den Breitling- und den Plauer See. Von hier zweigt der Elbe-Havel-Kanal ab, den die Berufsschiffahrt nimmt, so daß wir auf dem Rest der Strecke bis Havelberg außer gelegentlichen Motorbooten kaum Schiffsverkehr hatten. Für die Mittagspause fanden wir in der Havel eine tolle Insel mit Sandstrand, auf der wir uns ausruhen konnten. Nach der Mittagspause erreichten wir die Kahnschleuse, die gerade genug Platz für ein Ruderboot bietet. Nachdem wir beide Boote geschleust hatten, ging es auf der Havel, die hier durch eine Wiesenlandschaft mit Schilf am Ufer fließt, weiter nach Rathenow. Dort bezogen wir im Ruderclub mit der Aufschrift Sektion Rudern Quartier. Nach dem Essen --- es gab Reis mit Gemüsesauce --- konnten es sich die Trainingsruderer nicht verkneifen, den Kraftraum auszuprobieren. Danach gingen wir alle gemeinsam in die Stadt, wo es für jeden ein Eis gab, welches wir einer Spende von Wolfgang Molkow verdanken.

Der Montag begann mit einem großen Einkauf in Rathenow, da wir am Abend zelten wollten und noch genug Essensvorräte bunkern mußten. Obwohl wir heute schon um kurz nach zehn Uhr auf dem Wasser waren, verloren wir viel Zeit an den Schleusen, da wir teilweise lange warten mußten. Kurz nach der dritten Schleuse André an der Elbe machten wir unsere Mittagspause, die wir auch zum Baden nutzten. Bei Havelberg erreichten wir die letzte Schleuse des heutigen Tages, die die Havel von der Elbe trennt. Hier füllten wir noch einmal unsere Wasservorräte auf und erreichten wenig später die Elbe. Ab hier hatten wir endlich Strömung, die uns etwa drei Kilometer pro Stunde voranbrachte. Diese nutzten wir, um noch etwa eine Stunde lang bis kurz vor Sonnenuntergang zu rudern. Jetzt mußte ein Lager für die Nacht gefunden werden. Anlegen kann man hier alle hundert Meter, doch die erste Stelle erwies sich als ungünstig, da hier das Gras zu hoch stand. Am gegenüberliegenden Ufer hatten wir aber Glück: Eine ideale Anlegestelle mit Sandstrand, flachem Gras, an der Elbe mitten im Nirgendwo, fern ab von jeglicher Zivilisation! Der Aufenthalt in der "Wildnis", ohne fließend Wasser und ohne Toiletten, dafür mit selbstgebuddelten Löchern, sorgte für gute Stimmung... In der Abenddämmerung bauten wir die Zelte auf und setzten den Grill in Betrieb, um Würstchen zu grillen, zu denen es Kartoffelpürree gab. Nach dem Essen zeigten sich die Sterne am Himmel, und der Mond, der beinahe voll war, ging auf. Während wir in den Himmel schauten, entstand die Idee, wie schön es doch wäre, auf einer Ruderfahrt einmal bei Nacht zu rudern. Mit diesem Gedanken im Kopf schliefen wir in den Zelten, bzw. Holger und ich im Freien unter dem Sternenhimmel, ein.

Nachtlager im Nebel am Morgen Am nächsten morgen konnten wir um kurz nach fünf Uhr den Sonnenaufgang über der Elbe bewundern. Etwas später, gegen sieben Uhr, zog dann aber dichter Nebel auf, so daß wir das gegenüberliegende Ufer kaum mehr erkennen konnten. Während wir frühstückten, verzog sich der Nebel wieder, und es stand erneut ein herrlicher Sommertag vor uns. Das sehr schöne Elbmarschengebiet, durch welches die Elbe hier fließt --- zu beiden Seiten flache Wiesen, teilweise mit Kühen oder Schafen --- begleitete uns auf der gesamten Etappe. In Wittenberge legten wir im Hafen einen Zwischenstop ein, um unsere Vorräte aufzufüllen. Am späten Nachmittag stand dann eine große Pause an, auf der auch der Grill wieder zum Einsatz kam. Nach einem Verdauungsschläfchen, während dessen sich die Kühe sehr für uns interessierten, ruderten wir weiter, um noch möglichst viel Strecke vor der Dunkelheit zu schaffen. In der Abenddämmerung legten wir schließlich an. Da das Wetter wieder schön und der Himmel wolkenlos war, wollten wir unseren Plan, bei Mondschein weiterzurudern, heute umsetzen. Eigentlich waren für die Strecke von Havelberg bis Lauenburg zwei Etappen mit je etwa 70 Kilometern vorgesehen. Nachdem wir bereits 74 Kilometer heute hinter uns gebracht hatten, wollten wir nun die verbleibenden 60 Kilometer bis Lauenburg bei Nacht rudern und dort in den frühen Morgenstunden ankommen, um dort dann einen faulen Tag im Freibad zu verleben. Also wurden bei letztem Tageslicht die Boote für die André, Fabian, Lutz und Nicolas auf der Elbe Nachtfahrt vorbereitet: Beide Boote bekamen ein weißes Positionslicht an der Fahnenstange, und der Steuermannsplatz der Jung-Club wurde in den Bug verlagert, indem wir mit Riemen die Steuerseile verlängerten und das Gepäck umpackten. Auf diese Weise hatte der Steuermann freie Sicht, um in der Dunkelheit Bojen und sonstige Hindernisse leichter zu erkennen. Um 23:30 Uhr setzten wir, nachdem der Mond aufgegangen war, unsere Fahrt fort: Die Jung-Club mit dem Bug-Steuermann, ausgestattet mit einem Scheinwerfer, fuhr voran, und die Munk folgte ihr auf gleichem Kurs in geringem Abstand. Da wir die Kilometerschilder am Ufer nicht mehr erkennen konnten und daher nicht genau wußten, wieviel wir schon zurückgelegt hatten, wechselten wir anfangs alle 60, später alle 50 Minuten den Steuermann. Das Gefühl für die Zeit und die Strecke war dabei ein ganz anderes als bei Tag. Dank des Mondlichts war das Ufer gut zu erkennen, ab und zu sah man auch ein Lagerfeuer am Ufer. Die meiste Zeit ruderten wir aber durch die Dunkelheit und sahen im fahlen Mondlicht nur Büsche und Bäume am Ufer vorbeiziehen. Nach einigen Stunden bildete sich stellenweise etwas Nebel auf dem Wasser --- bei Mondschein ein beeindruckender und einmaliger Anblick! Als das Morgengrauen langsam begann, hofften wir, bereits kurz vor Lauenburg zu sein, waren uns dessen aber nicht sicher. Als jedoch eine Brücke auftauchte, war klar, daß wir es fast geschafft hatten --- Lauenburg war erreicht! Um 5:05 Uhr legten wir dann erschöpft in Lauenburg an, nach einer Etappe von 134 Km Länge! Schnell nahmen wir die Boote aus dem Wasser und bauten die Zelte auf, um Jung-Club im Sonnenuntergang auf der Elbe kurz danach in die Schlafsäcke zu kriechen.

Einige Stunden später brannte die Sonne auf die Zelte, und so standen wir am nächsten Morgen --- einige recht früh, andere etwas später --- auf. Um 12:00 Uhr waren dann alle wach und die Zelte abgebaut, und es gab ein großes Frühstück. Anschließend brachen wir auf zum Freibad, welches Holger uns versprochen hatte. Dort angekommen begeisterte uns vor allem die tolle Wasserrutsche, die wir stundenlang intensiv nutzten! Kaum waren wir unten angelangt, rannten wir mit der dortigen Jugend um die Wette wieder hoch und rutschten erneut runter. Die Älteren unter uns kamen sich dabei plötzlich fünfzehn Jahre jünger vor...Hinterher haben wir ausgerechnet, daß die Höhe, die wir an diesem Tag hochgerannt und wieder runtergerutscht sind, mindestens der Höhe des Eiffelturms entspricht! Die Pausen zwischen dem Rutschen spielten wir etwas Doppelkopf, lagen in der Sonne oder im Schatten und lasen oder dösten vor uns hin. Zurück im Club gab es nach diesem herrlichen und erfrischenden Badeerlebnis Pizza zu essen. Anschließend machten sich einige von uns noch auf zu einem Spaziergang durch Lauenburg, von dessen Schloß man einen schönen Blick über die Elbe hat. Schließlich gingen wir alle recht früh schlafen, da die letzte Nacht doch etwas kurz gewesen war.

Lutz, André, Udo, Holger und Alexander auf der Alster Der letzte Rudertag bescherte uns wieder strahlend blauen Himmel. Schon morgens war es ziemlich heiß, und der leichte Schiebewind sorgte auch kaum für Abkühlung. Relativ schnell erreichten wir die Schleuse bei Geesthacht, mußten hier allerdings lange auf einen Frachter warten, bis wir endlich geschleust wurden. Hinter Geesthacht wird die Fließrichtung des Wassers von Ebbe und Flut bestimmt. Wir hatten ablaufendes Wasser und konnten so bequem mit der Strömung rudern, die allerdings weniger stark ausfiel als erhofft. Der Verkehr auf der Elbe nimmt ab Lauenburg zu, so daß wir uns heute wieder öfters parallel zu den Wellen legen mußten. Über die Norderelbe erreichten wir die Elbbrücken. Da die Elbe ab hier für Ruderer in offenen C-Booten relativ riskant wird, wollten wir diese Strecke durch den Zollkanal umfahren. Im Zollkanal war zwar ein Stück wegen Baustelle gesperrt, aber die Bauarbeiter ließen uns dennoch passieren. Über Schaartor- und Rathausschleuse erreichten wir den Rathausmarkt, wo es erstmal ein Eis für alle gab. Anschließend ging es auf die letzten Kilometer über Binnen- und Außenalster bis zur RG Hansa, deren tollen Bootshaus von allen bewundert wurde. Nach dem Duschen wurde auch heute wieder mit Fleisch und Würstchen gegrillt. Danach riggerten wir die Boote ab, und einige von uns machen sich auf den Weg zur Reeperbahn, während der Rest in unserem Schlafraum versuchte, die Bewegungsmelder, die die Beleuchtung steuern, zu deaktivieren.

Lutz, Fabian, Holger, André und Lennart auf dem Michel Holger mußte am letzten Tag früh aufstehen, denn er mußte mit der Bahn nach Berlin fahren, um den Hänger zu holen. Alle anderen durften ausschlafen. Nach dem Frühstück und dem Packen der Sachen, reinigten wir die Boote und warteten auf Holger, der mittags eintraf. Nach dem Verladen der Boote fuhren wir zu den Landungsbrücken, wo es für jeden ein Fischbrötchen gab. Anschließend kletterten wir auf den Michel, natürlich zu Fuß, von wo wir einen tollen Blick über Hamburg hatten. Nach einer gut dreistündigen Fahrt im Sprinter erreichten wir dann abends Berlin. Hier entluden wir die Boote, riggerten sie wieder auf und verteilten den übriggebliebenen Proviant.

Damit ging nach einer Woche eine phantastische Ruderfahrt zu Ende! Für viele Teilnehmer war es die erste größere Ruderfahrt überhaupt, und auch bei allen anderen wird diese Fahrt wohl bleibende Eindrücke hinterlassen.

Streckenübersicht (5 Etappen, 355 Km)
Sa, 31.07.1. Etappe: Berlin-Wannsee - Brandenburg52 Km
So, 01.08.2. Etappe: Brandenburg - Rathenow49 Km
Mo, 02.08.3. Etappe: Rathenow - Irgendwo hinter Havelberg62 Km
Di, 03.08.4. Etappe: Irgendwo hinter Havelberg - Lauenburg134 Km
Mi, 04.08.Ruhetag in Lauenburg
Do, 05.08.5. Etappe: Lauenburg - Hamburg Außenalster58 Km
Fr, 06.08.Ruhetag in Hamburg und Rückreise

Gruppe
Lennart Schmidt, Nicolas Michael, Udo Schallop, Lutz Schallop, Alexander Quandt,
Fabian Nickel, André Kasimir, Holger Derlien (FL) und Bernhard Bobusch




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