Bericht von Nicolas Michael
Kurzbeschreibung: Dreitagestour mit dem Jugendkutter durch die Berliner Innenstadt.
Die Idee zum Jugendkutter-Projekt entstand bereits im Jahr 2000. Nach vorbereitenden Planungen gelang es
Robin als Initiator und Leiter des Projekts zwei Jahre später, im Jahr 2002,
einen Marinekutter von der Bundesmarine für das Projekt zu erwerben, welches in Zusammenarbeit mit dem
Schülerruderverband Wannsee durchgeführt wird. Der Kutter
(Baujahr 1961) hatte als Beiboot und Rettungsboot des Leichten Kreuzers und Ausbildungsschiffs Deutschland
gedient. Mit einem Dreizylinder-Güldner-Motor ausgestattet kann er sowohl gesegelt, als auch unter Motor
gefahren und gerudert werden. Er ist 8,50 Meter lang, 2,40 Meter breit, hat rund 70 cm Tiefgang und ist
2,5 Tonnen schwer.
Im Sommer 2003 begann Robin zusammen mit einigen Freunden mit der Ausbesserung des Kutters in Bad Ems, wo der
Kutter damals lag. Im Fokus stand insbesondere das Unterwasserschiff, das komplett neu versiegelt wurde. Im
Herbst 2003 wurde der Kutter dann von Bad Ems über Lahn, Rhein, Mittellandkanal, Elbe-Havel-Kanal und Havel
nach Berlin überführt (Fotos).
Den ersten Winter lag er in Potsdam,
2004 fand Robin dann einen Liegeplatz im Saatwinkler Segelclub Odin am Tegeler See. Dort arbeitete er noch zwei
weitere Sommer, 2004 und 2005, hauptsächlich im Innenschiff (Fotos).
Im Herbst 2005 machten wir eine (abgesehen von der Überführung) erste Fahrt mit dem Kutter und ruderten ihn
zu acht zu einer nahe gelegenen Insel auf dem Tegeler See. Das Rudern des Kutters stellte sich als äußerst
mühsam heraus -- man konnte ihn zwar fortbewegen, aber dafür war harte Knochenarbeit nötig (Fotos).
Auch 2006 setzte Robin die Arbeiten am Kutter fort. Für den Sommer war dann die erste richtige Fahrt geplant,
eine Dreitagestour durch die Berliner Innenstadt. Wir trafen uns am Freitag, Robins Geburtstag, am frühen
Nachmittag im SSC Odin. Robin hatte bereits alles vorbereitet, und der Kutter war so gut wie startklar, als
wir eintrafen. Ein paar restliche Dinge mußten noch im Kutter verstaut werden, bis Robin plötzlich einfiel,
daß er noch Diesel brauchte. Da wir als Ruderer nicht wußten, wo die nächste Wassertankstellt ist, fuhr ich
schnell nochmal mit dem Auto zur Tanke und holte zwei Kanister Diesel. Dann, um 16:00 Uhr, ging es los.
Ziel für den ersten Tag sollte der Urbanhafen am Landwehrkanal in Kreuzberg sein. Die Strecke führte uns vom
Tegeler See über den Hohenzollernkanal und die Schleuse Plötzensee zunächst zum Westhafen, von wo es über
den Westhafenkanal und den Charlottenburger Verbindungskanal weiter zum Landwehrkanal ging. Hier kreuzten wir
die Spree und fuhren dann auf dem Landwehrkanal durch die Tiergartenschleuse und vorbei am Berliner Zoo,
dem Potsdamer Platz und dem Technikmuseum. Die ganze Fahrt über hatten wir herrlichen Sonnenschein. Der Motor, der lange nicht mehr
gelaufen war, machte keine Probleme und verrichtete anstandslos und unüberhörbar seinen Dienst. Der ungedämpfte
Auspuff trug zusätzlich zur Lautstärke auf dem Kutter bei, aber das störte niemanden wirklich auf dieser ersten
Fahrt. Die Freude, endlich mal mit dem Kutter unterwegs zu sein, war groß.
Gegen Abend erreichten wir dann den Urbanhafen, das heutige Ziel. Hier hatte Robin alles für seine Geburtstagsparty
benötigte in einem nahe gelegenen Keller deponiert: Grill, Getränkte, Fleisch und Würstchen, Salate und eine
Musikanlage. Während wir den Grill aufbauten und anfeuerten, baute Robin auf dem Kutter die Musikanlage auf,
die ihren Strom aus der Autobatterie des Kutters bezog. Der Grill glühte, nur das Grillfleisch und die Würstchen
waren dummerweise im Tiefkühlschrank gelagert worden und daher noch alle tiefgekühlt, so daß wir sie erst
auftauen mußten. Anschließend konnte dann gegrillt und gegessen werden. Im Laufe des Abends kamen noch viele
Freunde von Robin hinzu, unter anderem auch Peer, Nils
und Yukio, und feierten noch bis spät in die Nacht.
Robin hatte die Nacht im Kutter verbracht. Als ich am nächsten Morgen kam, war das meiste schon aufgeräumt. Wir
mußten nur noch die Flaschen und sonstigen Reste zurück in den Keller tragen und den Kutter klar machen. Die
Musikanlage ließen wir aufgebaut, so daß wir an den nächten beiden Tagen auch im Kutter Musik hören und das
Ufer beschallen konnten. Eines der Geburtstagsgeschenke, die Robin bekommen hatte, war eine Piratenflagge, die von nun an über dem Kutter wehte.
Die ersten Meter fuhr ich mit Robin allein den Landwehrkanal weiter Richtung Spree. Bevor wir aber auf die
Spree kamen, stiegen noch zwei weitere Freunde hinzu, die am Ufer auf uns warteten. Über die Oberschleuse
erreichten wir dann die Spree.
Direkt dort, wo der Landwehrkanal von der Spree abgeht, liegt das Badeschiff. Hier legten wir mit dem Kutter
an und konnten durch geschicktes Verhandeln sogar erreichen, daß die Bademeister uns dies erlaubten. Nach einem
erfrischenden Bad im sauberen Wasser des Badeschiffs, das vom schmutzigen Spreewasser umgeben ist, machten wir
uns auf die Weiterfahrt -- jetzt zu sechst, da zwei weitere Freunde im Badeschiff zugestiegen waren. Bevor
wir auf der Spree die Fahrt fortsetzten, statteten wir dem Club der Visionäre einen Kurzbesuch ab.
Dann fuhren wir die Spree zunächst ein Stück flußab, durch die Oberhaumbrücke hindurch und bis zur nächsten Brücke,
wo wir wendeten. Auf dem Rückweg kamen wir an einem am Wasser gelegenen Club vorbei, wo Robins Freund Paul
erreichte, daß wir am Abend mit dem Kutter kostenlos auf die Party kommen würden. Anschließend stiegen die
vier wieder aus, und ich fuhr mit Robin alleine weiter bis zum Rummelburger See. Hier ankerten wir für ein
kleines Weilchen, bevor wir zur Insel der Jugend fuhren, wo Robin sein Nachtlager aufschlagen wollte.
An der Insel der Jugend legten wir am Sportbootanleger an, und ich verabschiedete mich von Robin. Am Abend kam
dann noch Paul vorbei, mit dem Robin dann zu der Party an der Spree fuhr, wo sie tatsächlich kostenlos
hereinkamen.
Um 11:00 Uhr am nächsten morgen trafen wir uns wieder, um den interessantesten Teil der Strecke, die Fahrt auf
der Spree durch die Innenstadt, anzutreten. Hierzu waren wir anfangs nur zu dritt, an der Museumsinsel stieg
später dann noch Robins Mutter mit einer Freundin zu.
Bei auch heute wieder schönstem Sonnenschein machten wir uns auf, und Robin steuerte den Kutter von der
Insel der Jugend aus flußab Richtung Innenstadt.
Als erstes näherten wir uns dem Allianz-Hochhaus und den Treptowers, vor denen die drei metallenen Figuren
stehen, welche die drei hier zusammentreffenden Bezirke Treptow, Kreuzberg und Friedrichshain symbolisieren.
Kurz danach erreichten wir die schönste und zugleich längste Brücke Berlins, die
Oberbaumbrücke, die 1894 - 1902
nach den Plänen Otto Stahns, der auch das Bootshaus des Schülerruderverbandes Wannsee errichtete, gebaut worden war.
An dieser Stelle verlief früher die Berliner Zollmauer, und Schiffe, die nach Berlin kamen, mußten hier
Zölle entrichten. Nachts war die Durchfahrt von einem Stamm, dem sog. Oberbaum verschlossen, der Namensgeber
dieser Brücke wurde. Weiter flußabwärts gab es den entsprechenden Unterbaum.
Mit der Oberbaumbrücke beginnt der interessanteste Teil der Berliner Innenstadt. Für Ruderboote ist dieser
Abschnitt bis zum Humboldthafen ganzjährig gesperrt und kann nur mit Sondergenehmigung, wie z.B. zur Wiking-Sternfahrt,
durchfahren werden. Natürlich haben wir diese Gelegenheit in der Vergangenheit mehrfach schon genutzt und
sind hier auch gerudert, aber bei gemächlicher Fahrt im Kutter mit Musik an Bord kann man diese Tour noch einmal
ganz anders genießen als aus dem Ruderboot. Außerdem hatte sich entlang der Strecke seit unserer
letzten Rudertour durch die Innenstadt inzwischen einiges verändert.
Hinter der Oberbaumbrücke (Folge 32) kamen wir zur Mühlendammschleuse, welche das südöstliche Ende der
Spreeinsel markiert, auch Fischerinsel genannt. Um diese Insel herum
entstanden die beiden Städte Berlin (nördlich der Spree) und Cölln (auf dem Südende der Spreeinsel gelegen).
Auf der Spreeinsel liegen unter anderem der Palast der Republik,
Volkskammer und Kulturhaus der DDR, der zur Zeit abgerissen wird, und der
Berliner Dom.
Mit dem Berliner Dom beginnt der nordwestliche Teil der Spreeinsel, auch
Museumsinsel genannt. An
ihrer Spitze befindet sich das Bodemuseum.
Auf dem weiteren Verlauf der Spree kamen wir dann zum Regierungsviertel. Zuerst fuhren wir mit unserer
Piratenflagge am Reichstag,
dem Sitz des Deutschen Bundestages, vorbei.
Nach dem Reichstag kamen wir an den moderneren Regierungsgebäuden vorbei, zuerst dem Sitz des Deutschen
Bundestages.
Ein weiteres Highlight der Tour war der Blick auf den neuen
Hauptbahnhof, den wir heute
zum ersten Mal vom Wasser aus sehen konnten. Dieses beeindruckende Bauwerk war erst wenige Wochen zuvor
eröffnet worden.
Entlang der Spree haben in den letzten Jahren viele Strandbars und Biergärten eröffnet, so auch hier vor dem
Bundeskanzleramt. Als
wir mit dem Kutter -- mit Musik und Piratenflagge -- vorbeifuhren, winkten uns überall die Leute am Ufer zu
(Folge 33).
Das letzte Regierungsgebäude, an dem wir mit dem Kutter vorbeifuhren, war das
Bundeskanzleramt.
Hinter dem Bundeskanzleramt liegt das Haus der Kulturen der Welt,
die ehemalige Kongreßhalle bzw. Schwangere Auster. Sie ist Zielpunkt unserer jährlichen Langstreckenregatta
Quer durch Berlin.
Die nun folgenden 7 Kilometer sind wir schon etliche Male gefahren, hauptsächlich bei Quer durch Berlin. Auf
dem Weg durch Tiergarten und Charlottenburg kamen wir vorbei am Schloß Charlottenburg und erreichten kurz
dahinter die Schleuse Charlottenburg. Hier machten wir eine kurze Pause im Schatten, da wir seit dem Morgen
die gesamte Zeit der prallen Sonne ausgesetzt waren. Die letzten Kilometer der Spree bis zu ihrer Mündung
in die Havel sind alles andere als schön, und so drehten wir den Motor etwas auf, um diesen Abschnitt möglichst
schnell zu überwinden. An der Schleuse Spandau mußten wir etwas warten, da hier großer Andrang war. Zusammen
mit einem Binnenschiff und vielen anderen Sportbooten, die alle das schöne Wetter am Sonntag genutzt hatten,
drängten wir uns in der Schleusenkammer und wurden zusammen bergwärts geschleust. Kurz darauf erreichten wir
den Tegeler See und damit den Heimathafen des Kutters, den SSC Odin. Hier endete die erste richtige Fahrt mit
dem Jugendkutter, nach mehreren Jahren Arbeit vor allem für Robin eine große Belohnung und eine tolle Fahrt!
Vielen Dank an Robin für seinen unermüdlichen Einsatz für den Jugendkutter und für diese Tour durch die
Innenstadt!
Die Teilnehmer: Robin, Nicolas und Freunde
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