Wiking-Sternfahrt 2007
Durch die Berliner Innenstadt

20./21. Oktober 2007

Bericht von Nicolas Michael

Kurzbeschreibung: Sternfahrt durch die Berliner Innenstadt von Wannsee über Havel, Spree, Landwehrkanal zur RG Wiking in Neukölln und über die Innenstadt-Spree durch die Oberbaumbrücke, vorbei an der Museumsinsel und dem Reichstag zurück nach Wannsee. Gesamtstrecke: 83 Km.

Oberbaumbrücke bei Sonnenaufgang

Streckenübersicht (2 Etappen, 83 Km)
Sa, 20.10.Kleiner Wannsee - Havel - Klein-Venedig - Spree - Landwehrkanal - Neuköllner Schiffahrtskanal - Wiking39 Km3 Schl
So, 21.10.Wiking - Britzer Zweigkanal - Spree - Museumsinsel - Reichstag - Havel - Kleiner Wannsee44 Km2 Schl


Lange ist's her, daß wir zuletzt an der Wiking-Sternfahrt teilgenommen haben: Von 1997 bis 2003 waren wir jedes Jahr einmal bei Wiking, meistens zur Sternfahrt, aber seit unserer Zeit im Club haben wir es aus irgendeinem Grund nicht mehr geschafft, bei dieser Sternfahrt mitzurudern, obwohl es früher immer schön gewesen war. In diesem Jahr nun haben wir uns endlich einmal wieder auf den Weg von Wannsee durch die Berliner Innenstadt zur RG Wiking in Neukölln gemacht -- zusammen mit über 100 anderen Booten aus Berlin und ganz Deutschland.

Schleuse Charlottenburg Samstag morgen um 10:00 Uhr trafen wir uns bei frischen Temperaturen, aber Sonnenschein im Club. Im C-Liner Kurt Gedat ruderten wir zu fünft die Havel aufwärts nach Spandau. Schon hier merkten wir, daß die Gedat zwar ein schnelles Boot ist, das sich einfach toll rudert, aber für Wanderrudern nicht so recht geeignet ist: Auf der etwas rauhen Havel blieben ständig die Wellen am Ausleger hängen -- in einem "Wanderruderboot" wäre das nicht passiert. Vorbei am Grunewaldturm und an Schildhorn entschieden wir uns für den kleinen Abstecher durch Klein-Venedig. Nach dem Verlassen der kleinen Gräben legten wir am Steg der Berliner RG für eine kurze Gesundheitspause an, die wir auch zum Entleeren des Bootes nutzten. Über die kanalisierte Havel vorbei am Rathaus Spandau ging es dann auf die Spree, auf der uns irritierenderweise einige Ruderboote entgegen kamen. Als wir nach dem Grund fragten, erfuhren wir, daß der Schleusenwärter in Charlottenburg sich weigerte, die Ruderboote zu schleusen. Trotzdem ruderten wir weiter bis zur Schleuse, wo bereits etwa 25 Ruderboote warteten. Es stellte sich heraus, daß einige Ruderer unaufgefordert in den Schleusenbereich hinter der Haltemarke eingefahren waren und der Schleusenwärter nun auf stur gestellt hatte und sich weigerte, irgendwelche Ruderboote zu schleusen. Kurz nach unserem Eintreffen kam auch die Wasserschutzpolizei, die zunächst nach eigener Aussage "ermittelte" und dann wohl dem Schleusenwärter zu verstehen gab, er möge jetzt schleusen. Wir hatten Glück, daß wir nur etwa 30 Minuten hatten warten müssen -- anderer Ruderer hatten hier über zwei Stunden auf Tiergartenschleuse die Schleusung gewartet! Dadurch ergab sich nun die Situation, daß alle Boote aus den West-Vereinen sich an der Schleuse gesammelt hatten und nun gemeinsam durch die Stadt fuhren -- ein schönes Bild, daß man bei Wiking-Sternfahrten eher selten hat, da sich die Boote meistens gut über die Strecke und den Tag verteilen. Hinter der Schleuse übernahmen wir im Kielwasser zweier Motorboote wieder ziemlich viel Wasser, zweigten dann jedoch auf den ruhigen Landwehrkanal ab und kamen bald zur Tiergartenschleuse. Auch hier wurden wieder alle Boote in einem großen Pulk geschleust. Hinter der Schleuse legten wir wieder kurz an der Wiese um, um das Boot schnell herauszunehmen und einmal durchzudrehen. Danach ging es mit leerem Boot auf dem Landwehrkanal vorbei am Technikmuseum und neben der Hochbahn durch Kreuzberg. Am Urbanhafen ließen wir die meisten Boote hinter uns, die hier Pause machten, während wir durch den Neuköllner Schiffahrtskanal weiter Richtung Wiking ruderten. Mit nur drei weiteren Booten passierten wir die Schleuse Neukölln und legten kurz darauf bei der RG Wiking an, wo wir freudig von unserem Sportvorsitzenden Uwe Graf empfangen wurde. Unser Clubachter hatte heute bei Wiking die Silbernen Riemen gewonnen. Da wir alle trotz schönem Wetter dank der Wellen, die wir übernommen hatten, etwas kalt und naß waren, blieben wir nicht lange, sondern fuhren ziemlich bald mit der U-Bahn nach Hause.

Die Figuren vor dem Allianz-Hochhaus Am Sonntag trafen wir uns in aller Frühe für den zweiten Tag der Wiking-Sternfahrt bei der RG Wiking. Es war noch dunkel, ganz Berlin lag im Bett, und auch unser Clubachter schlief sich noch seinen Rausch aus, da hatten wir bereits um 07:00 Uhr die Hände am Boot. Um 07:20 Uhr legten wir dann bei Morgendämmerung am Steg der Wiking ab. Der Grund für die frühe Zeit war die diesjährige Regelung zur Durchfahrung der Innenstadt-Spree: Normalerweise hatte der LRV Berlin für das Sternfahrt-Wochenende immer eine ganztägige Sondergenehmigung zur Durchfahrung des Abschnitts Oberbaumbrücke bis Kanzleramt erhalten. Dieses Jahr jedoch mußte diese Mühlendammschleuse bis 09:30 Uhr durchfahren werden. Über den Britzer Zweigkanal erreichten wir nach wenigen Kilometern die Spree und ruderten dort flußab vorbei an der Rummelsburger Bucht und der Insel der Jugend. Hinter der Elsenbrücke erreichten wir den ersten Höhepunkt der heutigen Tour, den Molecule Man vor den Treptowers. Diese 30 Meter hohe und 45 Tonnen schwere dreigeteilte Figur mitten in der Spree symbolisiert die hier zusammentreffenden Bezirke Kreuzberg, Friedrichshain und Treptow. Seit wir 1999 das erste Mal an dieser damals ein Jahr alten Figur vorbeikamen, gehört es mit dazu, durch die Beine des Molecule Man hindurchzurudern. Natürlich haben wir das auch dieses Mal nicht ausgelassen. Wenig später folgte dann die schönste Brücke Berlins: Die Oberbaumbrücke. Seit 1724 diente hier eine Holzbrücke als Zollstation für Schiffe, die spreeab nach Berlin fuhren. Ein Sperrbaum, der sogenannte Oberbaum, verhinderte das unerlaubte Durchfahren und gab der Brücke ihren Namen. Für die Bergfahrer gab es unterhalb der Stadt den entsprechenden Unterbaum. 1895 wurde vom Berliner Regierungsbaumeister Otto Stahn die heutige Backsteinbrücke im Stile eines altmärkischen Stadttores fertiggestellt, verbindet seitdem Kreuzberg und Friedrichshain und dient seit 1902 auch als Brücke für die U-Bahn Linie 1. Die heutige Stahlkonstruktion in Brückenmitte wurde erst bei der Sanierung der Brücke nach der Wiedervereinigung von Stararchitekt Santiago Calatrara eingefügt und soll moderne Architektur mit einer denkmalschutzgerechten Lösung verbinden. Den ursprünglichen Backsteinbogen Oberbaumbrücke bei Sonnenaufgang hatte Hitler am 23. April 1945 sprengen lassen, um den Vormarsch der Roten Armee aufzuhalten. Durch diese Brücke, die für mich immer den absoluten Höhepunkt jeder Innenstadt-Durchfahrt darstellt, ruderten wir heute bei den ersten Strahlen der Morgensonne. Wenige Kilometer hinter der Brücke erreichten wir die Mühlendammschleuse und meldeten uns über die Sprechanlage beim Schleusenwärter an. Dieser jedoch teilte uns mit, daß das Durchfahren der Innenstadt für Ruderer nicht erlaubt sei und weigerte sich anfangs, weiter mit uns zu sprechen. Wir blieben aber hartnäckig und klingelten erneut, um ihm mitzuteilen, daß für heute eine Sondergenehmigung bestünde. Leider hatte ich, da ich seit ein paar Tagen ohne Internet bin, diese nicht ausgedruckt. Per Sprechanlage vereinbarten wir, daß wir zu ihm kommen und sie ihm im Internet zeigen würden. So stieg ich aus, lief zu ihm hin und zeigte ihm auf der LRV-Homepage die Sondergenehmigung des Wasser- und Schiffahrtsamts Berlin für den heutigen Tag. Er entschuldigte sich sogar noch, daß er davon nichts gewußt hatte, und ließ uns wenige Minuten später mit einem Ausflugsdampfer einfahren. Wir waren in diesem Jahr vermutlich das einige Ruderboot, das den Weg über die Innenstadt-Spree gewählt hatte, denn am Samstag, so erzählte er uns, hatte er keine Ruderer geschleust, und 30 Minuten nach uns endete die Sondergenehmigung bereits. Hinter der Schleuse konnten wir den völlig ausgehölten Palast der Republik bestaunen, der nur noch Die Reste des Palasts der Republik aus einem Stahlskelett besteht --- 1998 konnten wir den Palazzo Prozzo noch in voller "Schönheit" sehen, und auch letztes Jahr war zumindest seine äußere Form noch zu erkennen. Vorbei am Berliner Dom und der Spitze der Museumsinsel in Gestalt des Bode-Museums erreichten wir den Reichstag. Weiter geht es zwischen den modernen Regierungsbauten, unter anderem dem Sitz des Deutschen Bundestages, hindurch zum neuen Berliner Hauptbahnhof. Hinter dem Kanzleramt verließen wir den normalerweise gesperrten Bereich und erreichten das Haus der Kulturen der Welt, Zielpunkt von Quer durch Berlin. Die nun folgenden sieben Kilometer bis zur Schleuse Charlottenburg sind wir schon oft im Rahmen der Regatta gerudert -- wirklich sehen tut man sie aber natürlich nur im Gigboot. Das Schleusen in Charlottenburg stellte heute überhaupt kein Problem dar, auch der Schleusenwärter, falls es denn derselbe wie am Vortag war, war überaus freundlich. Nach der Durststrecke bis zur Spreemündung ging es dann wie am Samstag die Havel entlang, diesmal ohne Abstecher auf direktem Weg, vorbei an Schildhorn, dem Grunewaldturm, durchs Nadelöhr und über den Großen Wannsee bis zum Club, den wir um 13:00 Uhr erreichten. Dank etwas weniger Wind und dem Umriggern der Ausleger vom mittleren auf das höchste Loch hatten wir heute kaum Wasser übernommen, nur auf dem immer aufgewühlten Großen Wannsee spritzte es etwas. Nach dem Reinigen des Bootes wärmten wir uns in der Sauna wieder auf und fuhren dann nach Hause.

Die Figuren Kreuzberg-Treptow-Friedrichshain bei SonnenaufgangNach drei Jahren Pause sind wir 2007 also endlich einmal wieder durch die Innenstadt gerudert. Es ist dabei immer wieder spannend, wie sehr sich dieser Abschnitt seit unserer ersten Fahrt 1998 verändert hat. Damals existierten die neuen Regierungsbauten noch nicht, und der Reichstag befand sich noch im Umbau. Auch wenn ich mit den Fotos von 2002 oder 2003 vergleiche, wo zum Beispiel der "Palast" noch steht, zeigt sich dort an etlichen Stellen ein anderes Bild. Auf der letztjährigen Kuttertour sahen wir zum ersten Mal den neuen Hauptbahnhof vom Wasser aus. Die Palast-Reste verschwinden langsam, aber sicher immer mehr -- im nächsten Jahr ist vielleicht auch das Stahlskelett schon weg. Grund genug, auch im nächsten Jahr wieder durch die Innenstadt zu rudern!

Mit dabei in diesem Jahr:



Information
Kartenmaterial:
  • Wassersport-Wanderatlas E5: Berlin-Brandenburg mit Spreewald, Jübermann-Kartographie u. Verlag, 1. Auflage 1999, ISBN 3-929540-56-8
Informationen: Das Durchfahrten der Innenstadt-Spree zwischen Oberbaumbrücke (Km 20,7) und Kanzleramt (Km 13) ist für muskelkraftgetriebene Boote ganzjährig untersagt. Ausnahmegenehmigungen bestehen üblicherweise zur Wiking-Sternfahrt im Oktober und können für andere Termine bei rechtzeitiger Anfrage vom LRV Berlin erteilt werden.


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